Erfahrungsbericht GR R2

Etappe 1 – 4

Etappe 1 – Von Saint Denis zur Gîte de la Roche Ecrite

Länge: 14,7 km
Höhenmeter Aufstieg: 1750 m
Höhenmeter Abstieg: –
Dauer: 5:20 h
GPX

Mit dem Mietwagen fahre ich in die Hauptstadt Saint Denis zum Startpunkt des GR R2 (50 Meter über dem Meeresspiegel) im Ortsteil La Providence. Auf dem Parkplatz des ONF (Office National de Fôrets) kann man das Auto (auf eigene Gefahr) für die Zeit der Wanderung kostenlos abstellen. Der Startpunkt kann jedoch auch bequem mit dem Bus erreicht werden. Voller Elan laufe ich los, doch schon nach 20 Minuten Wandern spüre ich die Erschöpfung. Die Hitze und die nicht zu unterschätzende Steigung durch (Bambus-)Wald und auch auf Asphaltwegen, fordern ihren Tribut. Von dem kleinen Ort Brûlé zu dem Camp Marmode läuft man vorwiegend über Teerstrassen, mit einigen Abkürzungen durch die Natur. Ich finde diesen kurzen Teil der Wanderung zwischen Hütten und bellenden Hunden etwas gespenstisch, was jedoch dem dichten Nebel geschuldet sein kann.

Es ist auch möglich mit dem Bus nach Brûlé bzw. Camp Marmode (ein Rast- und Campingplatz) zu fahren (nur die letzten 3 km müssen zu Fuß oder per Anhalter zurückgelegt werden), um den GR R2 hier zu starten. Trotz des eher schlechten Wetters wird gegrillt – eine der Lieblingsbeschäftigungen der Einheimischen an den Wochenenden. Ab Camp Marmode verlässt man den Asphalt und es geht in den Wald. Dort ist Nebel auch weniger gruselig als auf leeren Straßen. Der Weg ist wunderschön und führt nach und nach in eine Tropenwaldvegetation. Den einsetzenden leichten Regen empfinde ich als angenehm, denn er verschafft endlich etwas Abkühlung.

Nach ca. 5 Stunden reiner Gehzeit und fast 1800 Höhenmetern lichtet sich der Nebel und die Gîte la Roche Ecrite taucht zwischen dem üppigen Grün auf. Der etwas kauzige Hüttenbesitzer spricht ausschließlich Französisch, doch irgendwie klappt die Kommunikation trotzdem. Ich bekomme ein ziemlich großes Doppelzimmer mit eigenem Bad für mich alleine (liegt aber an der Corona-Zeit). Bevor ihr jubelt: hier oben ist es wirklich sehr sehr kalt, die Hütten sind nicht beheizt und auf warmes Wasser hofft man auch vergeblich. Hier bin ich tatsächlich froh meinen Schlafsack dabei zu haben, in den ich, zusätzlich eingewickelt in eine dicke Decke, schlüpfe, in der Hoffnung nicht zu erfrieren und das Gefühl in meinen vor Kälte abgestorbenen Fingern wieder zu erlangen.

Das Abendessen wird in der beheizten Haupthütte serviert: Begonnen wird mit dem für Réunion typischen Aperitif (mit Rum), anschließend gibt es sehr leckeres (und sehr scharfes) kreolisches Essen. An diesem Abend lerne ich eine sehr sympathische und unterhaltsame Männergruppe sowie eine ebenfalls allein reisende Frau kennen. Nach einigen Gläsern Wein ist die Freundschaft besiegelt.

Etappe 2 – Von der Gîte de la Roche Ecrite nach Dos d’Âne

Roche Ecrite (einfache Strecke)
Länge: 4,4 km
Höhenmeter Aufstieg: 410 m
Höhenmeter Abstieg: –
Dauer: 1:30 h
GPX

Etappe 2
Länge: 8,4 km
Höhenmeter Aufstieg: 60 m
Höhenmeter Abstieg: 870 m
Dauer: 3:10 h
GPX

Abstecher zum Roche Ecrite (2276m)

Um 4:30 Uhr morgens klingelt mein Wecker und eine Stunde später mache ich mich mit leichtem Gepäck, aber warm eingepackt, im Licht meiner Stirnlampe, auf den Weg zum Gipfel des Roche Ecrite. Der Weg beginnt direkt hinter der Gîte und führt zunächst durch ein kleines Waldstück. Dann wird die Vegetation niedriger, der Untergrund felsiger, die Sonne geht auf und taucht die Landschaft, Plaine des Chicots, in unwirkliches Licht. Nach ca. 1,5 Stunden erreiche ich den Gipfel und es ist mittlerweile hell. Anstelle des so hochgelobten Ausblicks auf den Cirque de Salazie zur Linken und den Cirque de Mafate zur Rechten blicke ich jedoch nur in dichten Nebel, der kurz vor meiner Ankunft aufzieht. Ich erschrecke mich fast zu Tode, als daraus ein weißer Hund in der Größe eines Wolfes auftaucht – bis ich das Zelt dahinter entdecke. Der Roche Ecrite ist ein beliebter Gipfel für einen Tagesausflug, der Weg ist gut markiert und viele Wanderer haben sich am Ziel im Stein verewigt. So früh am Morgen hat man den Ort jedoch für sich. Ich treffe auch auf meine gestrigen Bekanntschaften, die nur kurz nach mir ankommen. Da es nicht so viel zu sehen gibt, mache ich mich wieder auf den Heimweg, gerade rechtzeitig, um noch etwas Frühstück abzugreifen (es werden keine Ausnahmen bezüglich der Frühstückszeit gemacht).

Etappe 2

Nach dem Frühstück marschiere ich wieder los. Der Nebel hat sich verzogen, die Sonne scheint und es wird richtig warm. Ich laufe hoch und runter durch den Urwald, die Ausblicke auf das Mafategebirge sind atemberaubend! Auch mache ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit den riesigen (aber harmlosen) Seidenspinnen, die ihre großen Netze am Wegrand gesponnen haben. Irgendwann holt mich die Gruppe von gestern ein (ich mache wohl zu viele Fotos). Wir beschließen den Rest des GR R2 zusammen zu laufen und sind ab jetzt eine Wandergang.

Angekommen in Dos d’Âne, einem kleinen Örtchen in einem Talkessel, suchen wir zunächst vergeblich nach der Unterkunft (Tipp: nach der Hausnummer Ausschau halten und sich trauen, den Rasen zu überqueren. Die Gîte sieht aus wie ein normales Wohnhaus.). Wir beschließen, erstmal einen Ort aufzusuchen, an dem wir uns mit einem wohlverdienten Dodo (Dodo Bourbon, ein sehr gutes und beliebtes einheimisches Bier) belohnen können. Wir halten ein Auto an, um nach einer Bar zu fragen. Lustigerweise entpuppen sich die Fahrer als Besitzer der Unterkunft, die wir zuvor nicht finden konnten und sie haben auch noch Platz für die zusätzlichen Gäste! Sie empfehlen uns ein Restaurant, in dem es wieder das leckere Carry, reichlich Dodo Bier und verschiedenste Sorten selbst gemachten Rums (u.a. aus Litschi und Kartoffeln) der stolzen Besitzerin gibt.

Anschließend machen wir uns auf den Weg zur Unterkunft Gîte étape chez Paule et Jo, die praktischerweise am Ende der heutigen Etappe liegt. Sie ist sehr gemütlich, wenn auch etwas hellhörig, hat sowohl warmes Wasser als auch eine Heizung, was sich nach der letzten Nacht himmlisch anfühlt. Nach dem obligatorischen Aperitif im Kaminzimmer mit den netten Besitzern gibt es ein üppiges Abendessen an einem langen Tisch, an dem wir noch andere Wanderer treffen (nach dem langen Tag kann man auch ein zweites Abendessen vertragen).

Etappe 3 – Von Dos d’Âne nach Cayenne

Länge: 15,3 km
Höhenmeter Aufstieg: 540 m
Höhenmeter Abstieg: 1080 m
Dauer: 4:50 h
GPX

Nach dem Frühstück und einer warmen Dusche geht es morgens frisch gestärkt los. Erst muss fast das ganze Dorf durchquert werden, bis man die Kirche erreicht, an der die heutige Etappe beginnt. Es geht zunächst auf und ab durch den Wald und auch ein paar seilgesicherte Stellen müssen passiert werden. Dann führt der Weg fast nur noch steil bergab ins Tal nach Deux Bras, ein Abstieg von ca. 1000 Höhenmetern, der nicht zu unterschätzen ist. Deux Bras ist einer der Einstiege in den Cirque de Mafate, der nur zu Fuß oder mit dem Hubschrauber zu erreichen ist. Unten angekommen muss ein kleiner natural pool überquert werden, indem man von einem Stein zum nächsten springt. Da diese jedoch sehr weit auseinander liegen, muss man sich ziemlich konzentrieren, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das Wetter wechselt ständig von bewölkt bis sonnig, aber es ist durchgehend heiß. Wir nutzen die Gelegenheit und springen kurz ins Wasser, um uns abzukühlen. Weiter geht es auf einem Schotterweg durch die Schlucht des Rivière des Galets. Das Gebirge sieht auch von unten beeindruckend aus! Es muss noch ein weiterer Fluss überwunden werden, was aber problemlos möglich ist. Rechts davon befindet sich unter einem Wasserfall ein noch viel größerer natural pool, die bessere Bademöglichkeit!

Da aufgrund von Corona in Aurère, der eigentlich nächsten Station des GR R2, keine Unterkunft mehr frei war (es dürfen keine fremden Personen miteinander in einem Zimmer einquartiert werden), hatte ich schon im Vorfeld eine Unterkunft in Cayenne gebucht. Zudem habe ich an der Ferse die größte Blase, die ich jemals hatte, so dass ich ernsthaft überlege, die Wanderung abzubrechen. Eigentlich ein Anfängerfehler: neue, nicht eingelaufene Wanderschuhe auf einer Etappenwanderung… Von daher trennen sich hier erstmal die Wege meiner Wandergruppe und mir. Schon kurz darauf bereue ich die Entscheidung, da ich auf meinem Weg noch sechs Mal einen Fluss überqueren muss. Beim zweiten oder dritten Mal falle ich ins Wasser und muss mit unangenehm nassen Schuhen weiter laufen. Tipp: Schuhe vor der Überquerung ausziehen, die zwei zusätzlichen Minuten lohnen sich. Auch Wanderstöcke sind hier eine große Hilfe. Danach geht es wieder ziemlich steil bergauf, auf Trampelpfaden, Treppen und über eine Hängebrücke. Und immer wieder eröffnen sich diese großartigen Aussichten auf die Berge.

Schließlich erreiche ich Grand Place/Cayenne, ein kleines, buntes Dorf auf einem Plateau (einem sogenannten Îlet, übersetzt Insel, wo sich früher aufgrund der schweren Zugänglichkeit entlaufene Sklaven versteckten). Da die Gîte erst um 15 Uhr öffnet, und ich noch zwei Stunden Zeit habe, setze ich mich vor einer kleinen Holzkirche in die Sonne, gönne meinen geschundenen Füßen etwas frische Luft, genieße den Ausblick und beobachte die zahlreichen Katzen.

Die farbenfrohe Gîte de Grande Place ist eine der schönsten auf meiner Wanderung. Wieder habe ich ein Doppelzimmer für mich alleine. Ob es warmes Wasser (oder auch Strom) gibt, hängt von der Sonne ab und wie viele Personen vor einem geduscht haben. Abends gibt es in der Haupthütte wieder das typische Programm: Aperitif mit Rum, dann leckeres kreolisches Essen. Ich treffe auf ein französisches Pärchen, das Erste-Hilfe-mäßig komplett ausgestattet ist und meine schmerzende Blase fachmännisch versorgt. Ich beschließe erstmal eine Nacht zu schlafen, bevor ich die Entscheidung treffe, ob ich weiterlaufe oder abbreche.

Ein Tag in Mafate

Als ich morgens vor die Türe meiner Gîte trete, mir die Sonne ins Gesicht strahlt und ich auf die Bergkulisse schaue, ist meine Entscheidung eigentlich schon gefallen. Abbrechen: auf gar keinen Fall! Andersherum betrachtet: Was passiert, wenn ich abbreche? Wie komme ich hier weg? Ich müsste entweder die ganze gestrige Strecke zurücklaufen oder einen Rettungshubschrauber anfordern, was mir aufgrund einer Blase verhältnismäßig unangemessen erscheint. Hier werden mir wieder einmal die Gefahren des Wanderns in abgelegenere Gebiete bewusst. Man befindet sich fernab jeglicher medizinischen Versorgung, einer Apotheke oder eines Krankenhauses. Gut, das ist bei meiner Blase nun wirklich nicht nötig, aber diese Isoliertheit sollte man beim Wandern nicht vergessen. Also immer etwas vorsichtig sein, ein Erste-Hilfe-Set im Gepäck haben und sich vor allem nicht überschätzen.

Ich beschließe, einfach noch einen Tag ausruhen, meine Ferse an die frische Luft zu halten und die wunderbare Umgebung auf mich wirken zu lassen. Einen weiteren Anreiz nicht abzubrechen schafft das Telefonat mit Claire aus meiner Wandergruppe: Ihre heutige Etappe führt sie zu mir und ab morgen könnten wir alle wieder gemeinsam weiterlaufen. Auch das ist das Schöne am alleine Wandern: Alleine bleibt man letztendlich nie. Es finden sich immer ein paar Gleichgesinnte zu einer illustren Gruppe zusammen.

Claire erteilt mir den Auftrag, mich um eine Unterkunft für uns alle zu kümmern. In meiner Gîte sind leider keine Zimmer mehr frei. Da hier der GR R2 den kürzeren GR R3 kreuzt und sich das Gebiet auch für Ein- bis Zweitagestouren anbietet, ist es generell etwas voller. Ich packe meinen Rucksack und mache mich auf den Weg zur nächsten Unterkunft. Auch hier ist nichts verfügbar, dafür gibt es eine riesige Landschildkröte und einen kleinen Kiosk. Die Besitzerin verweist mich auf die recht große Gîte Le Pavillon, die mir noch ein (ziemlich enges) Zimmer mit Etagenbetten für sechs Personen anbieten kann.

Grand Place des Hautes ist die abgeschiedenste und am höchsten gelegene Ansiedlung im Herzen von Mafate, was wiederum einen grandiosen Ausblick garantiert. Hier kann man problemlos einen Tag verbringen und auf kleinen Wegen die Umgebung erkunden. Die Gîte verfügt sogar über einen sehr gut ausgestatteten Laden, in dem man wirklich fast alles erstehen kann (unter anderem Bier, Essen, Snacks, Hygieneprodukte und Zigaretten) und es kann sogar mit Karte bezahlt werden. Auf dem Hügel daneben werden glückliche Ziegen gehalten. Ich setze mich auf der Terrasse in die Sonne, schreibe Tagebuch und warte auf meine Freunde, die gegen Mittag ankommen. Mit ein paar Dodos feiern wir unser Wiedersehen und ich bin wahnsinnig froh mich für das Weitergehen entschieden zu haben. Aus den Wasserhähnen kommt warmes Wasser zum Duschen und auch das Abendessen ist, wie bisher auf jeder Gîte, sehr gut.

Etappe 4 – Von Grand Place nach Roche Plate

Länge: 10,3 km
Höhenmeter Aufstieg: 1000 m
Höhenmeter Abstieg: 600 m
Dauer: 3:50 h
GPX

Ich wache schon ganz früh auf und schleiche mich aus dem Zimmer, um zusammen mit den Ziegen auf dem Hügel den Sonnenaufgang zu betrachten. Ganz malerisch taucht die aufgehende Sonne die Berge nach und nach in warmes Licht. Nach dem Frühstück und mit neuem Tape um meine Ferse bin ich bereit weiterzuwandern. Der Weg führt über Grand Place/Boutique, wo sich weitere Gîtes sowie eine Schule und eine kleine Einkaufsmöglichkeit befinden. Gleich nach der Hängebrücke biegen wir rechts ab und es geht bergauf. Der Cirque de Mafate ist nicht ohne Grund der Traum eines jeden Wanderers auf Réunion: Die Ausblicke sind unbeschreiblich! Es ist wieder ziemlich heiß und deswegen freue ich mich, als wir auf dem Weg hinunter in die Schlucht an einem kleinen Bassin vorbeikommen, in dem man sich kurz erfrischen kann. Weiter geht es durch die Vegetation und schließlich wieder bergauf. Weiter oben kommen wir an einem kleinen Laden vorbei, an dem wir bei einer kalten Orangina, Oliven und Chips Rast machen. Überraschenderweise kann hier, eigentlich mitten im Nirgendwo, mit Karte bezahlt werden. Dann geht es weiter steil bergauf. Oben auf dem Bergkamm La Brèche (1293 m) eröffnet sich eine großartige Aussicht auf die Talkessel zu beiden Seiten. Von dort aus ist es nur noch ein kleiner Abstieg von ca. 30 Minuten zu der kleinen Ansiedlung Roche Plate.

In Roche Plate suchen wir eine kleine Bar auf, um auf einen Nachzügler zu warten, und snacken ein paar Dim Sum. Als wir schließlich wieder vollzählig sind, machen wir uns auf den Weg zur heutigen Unterkunft, der Gîte chez Merlin, in der wir wieder in einem 6er-Zimmer untergebracht sind. Außer uns wohnt hier noch eine Katze, die unsere M&Ms klaut sowie zwei riesige Spinnen, die wir liebevoll hinausbefördern, um eine angenehme Nachtruhe sicherzustellen. Gut zu wissen: Es gibt auf der ganzen Insel keine giftigen Tiere. Die Gîte selbst liegt an einem Hang, ist von daher auf mehrere Ebenen verteilt und besitzt eine schöne kleine Terrasse, von der man eine herrliche Aussicht hat. Warmes Wasser ist, zumindest als ich an der Reihe bin, noch verfügbar. Frisch geduscht genieße ich den Aperitif und das typische Abendessen, dann lasse ich den Abend mit einem Dodo auf der Terrasse unter dem klaren Sternenhimmel ausklingen.

Hier geht es zu den Etappen 5 – 10

Etappen GR R2

Hier findet ihr eine Übersicht der Etappen des GR R2, wie ich sie gelaufen bin.
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1 thought on “Erfahrungsbericht GR R2”

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