
In 5 Tagen auf dem West Highland Way durch Schottland
Schottland – schon lange ein Traumreiseziel. Grüne Hügel, karge Berge, Natur pur und ein Hauch von Mittelalter. Soweit meine Vorstellung. Die Realität? Genau so, nur noch besser. Fünf Tage strahlender Sonnenschein begleiten meine Wanderung auf dem West Highland Way (WHW). Wer kann schon von sich behaupten, gebräunt aus Schottland wiederzukommen?
Der West Highland Way (WHW) ist Schottlands ältester offizieller Wanderweg und erstreckt sich über 154 km, aufgeteilt zwölf Etappen.Die meisten Wandernden bewältigen ihn in 7-8 Tagen, ich entschied mich für eine ambitionierte 5-Tages-Variante, die sich als machbar erwies. Besonders für Einsteiger ins Weitwandern ist diese Route ideal. Mehr Informationen findet ihr hier.
Etappenübersicht – West Highland Way
Der West Highland Way (WHW) in 5 Tagen.
Etappen | Gehzeit | km | Höhenmeter | Unterkunft | GPX | |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Milngavie – Balmaha | 6:40 h | 33 | 550↑/590↓ | Balmaha Bunkhouse | WHW Etappe 1 |
2 | Balmaha – Inverarnan | 8:20 h | 36,5 | 610↑/610↓ | Drover´s Inn | WHW Etappe 2 |
3 | Inverarnan – Bridge of Orchy | 6 h | 31,1 | 580↑/410↓ | Bridge of Orchy Hotel | WHW Etappe 3 |
4 | Bridge of Orchy – Kinlochleven | 6:30 h | 34,1 | 830↑/980↓ | West Highland Lodge | WHW Etappe 4 |
5 | Kinlochleven – Fort William | 5:15 h | 25,4 | 980↑/1260↓ | The Stronlossit Inn | WHW Etappe 5 |
Erfahrungsbericht: Wandern auf dem West Highland Way
Im nachfolgenden Text könnt ihr meine Erfahrungen inklusive Tipps und Tricks nachlesen. Da ich die komplette Strecke in 5 Tagen gewandert bin, habe ich meine Wandertage durch Unterüberschriften in die offiziellen Etappen unterteilt.
WHW Etappe 1 – Von Milngavie nach Balmaha
Länge: 33 km
Höhenmeter Aufstieg: 550 m
Höhenmeter Abstieg: 590 m
Dauer: 6:40 h
GPX
Von Milngavie nach Drymen
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Ibis Glasgow City Centre Hotel geht es mit dem Zug in nur 25 Minuten vom Bahnhof Queen Street nach Milngavie, einem kleinen Vorort von Glasgow und offizieller Startpunkt des West Highland Ways. Hier tummeln sich bereits zahlreiche Wandernde, und wir entscheiden uns, direkt zu starten, um nicht in einer großen Gruppe zu wandern. Unser Plan für heute: Zwei der offiziellen Etappen zusammenlegen und von Milngavie über Drymen nach Balmaha wandern.
Schon kurz nach Ortsausgang tauchen wir in die idyllische schottische Landschaft ein: malerische Kies- und Waldwegen, satte Grüntöne, die fast irreal leuchten. Wir passieren Felder voller Bluebells (Hasenglöcken), deren lila Blüten wie ein Schleier über dem Gras liegen. Mit moosbewachsenen Bäumen wirkt die Umgebung beinahe magisch – als könnte jederzeit eine Fee oder ein Troll vorbeihuschen.



Schließlich beginnt sich die Landschaft zu verändern und die ersten Berge tauchen auf. Trotz der abgeschiedenen Natur gibt es mehrere Einkehrmöglichkeiten und sogenannte honesty boxes laden zur Selbstbedienung ein. Die Glengoyne Distillery lockt mit Whiskey und Wodka. Da es noch ziemlich früh am Tag ist und ich befürchte, dass es mir allzu gut schmeckt, verzichte ich auf einen Abstecher dorthin.
Der Weg führt uns vorbei an Schafweiden, grünen Wiesen, Bergpanoramen, Wälder und Blumen und wir treffen erstmals auf die berühmten schottischen langhaarigen highland cows.



Pause in Drymen
Nach etwa 20 km, stehen wir vor der Wahl: Weiter direkt nach Balmaha oder einen kleinen Umweg von 10 – 15 Minuten in Kauf nehmen, um in Drymen eine wohlverdiente Pause einzulegen. Pause klingt gut. Drymen ist ein überschaubarer, charmanter Ort und wir kehren im sympathisch aussehenden “Alfie & Co” ein, deren Besitzer uns herzlich empfängt. Ich genieße einen köstlichen Cappucchino, doch die Karte bietet für jeden Geschmack etwas – von einem entkoffeinierten Matcha für meine Freundin bis hin zu italienischen Spezialitäten und einer verführerischen Auswahl an Kuchen. Ich kann euch nur empfehlen, hier eine Rast einzulegen und die herrliche Anfangsetappe Revue passieren zu lassen! Nachdem der Cappuchino meine Lebensgeister geweckt und der hilfsbereite Ladenbesitzer meine Wasserflaschen aufgefüllt hat, mache ich mich wieder auf den Weg, während meine Freundin sich entschließt, den Bus zu nehmen.
Von Drymen nach Balmaha
Weitere 12 km, inklusive kleiner Steigung, liegen nun noch vor mir. Der Weg schlängelt sich zunächst durch Hecken und vorbei an Wiesen, auf denen Schafe und ihre Lämmer ausgelassen herumtollen. Als der Weg in den Wald führt, wird er zu einer Forststraße und entpuppt sich als etwas monoton. Ich treffe kaum auf andere Wandernde – so spät ist wohl keiner mehr unterwegs (oder sie haben es sich bei Alfies in Drymen gemütlich gemacht).
An der Weggabelung, an der eine etwas kürzere und leichtere Alternativroute abzweigt, lege ich nochmal eine kurze Rast ein. Ich entscheide ich mich für die Originalroute und damit “schwierigere” Variante. Die Entscheidung lohnt sich! Ein schmaler, gewundener Pfad führt durch Bluebell-Felder und öffnet sich zu einer Schafkoppel. Plötzlich liegen sie vor mir: der Loch Lomond mit seinen kleinen Inseln und der Conic Hill. Zum ersten Mal bekomme ich einen Eindruck davon, was mich in den Highlands erwartet.
Ich durchquere die Schafwiese samt ihrer flauschigen Bewohner und steige den schmalen und stufenreichen Pfad auf den Conic Hill (361m). Ich verzichte auf den geplanten Abstecher zum Gipfel und geniesse stattdessen den grandiosen Blick über den See und die umliegenden Berge.



Ankunft in Balmaha
Der finale Abstieg ist steil. Überall liegen Säcke mit Steinen, die künftig den Abstieg angenehmer gestalten sollen. Meine Beine protestieren mittlerweile deutlich. Nach ein paar Steintreppen und einem kleinen Waldstück, erreiche ich endlich den Parkplatz von Balmaha, direkt vor dem Oak Tree Hotel. Ich bin am Ziel.
Unterkunft: Das Balmaha Bunkhouse liegt gleich um die Ecke, meine Freundin ist schon da. Der Besitzer Ian empfängt mich freundlich und wir plaudern, bevor ich mich endlich auf mein Zimmer zurückziehen kann. Die Unterkunft bietet:
- Doppelzimmer mit eigenem Bad, Mehrbettzimmer
- Eine große, hervorragend ausgestattete Küche mit kostenlosem Kaffee, Tee und Cerealien
- Gemütliche Atmosphäre
Tipp: Der Dorfladen in Balmaha, in dem diverse Lebensmittel, Alkohol und Souvenirs erworben werden können, schließt bereits um 18 Uhr. Das Oak Tree Hotel bietet ein gutes Restaurant, Reservierung empfehlenswert.
Nach einer ausgiebigen Dusche setze ich mich mit einem Loch Lomond Bier an den namensgebenden See, genieße die Aussicht und lasse mir die Abendsonne ins Gesicht scheinen. Zum Abendessen geht es ins Oak Tree und anschließend auf direktem Weg ins Bett und in den wohlverdienten Schlaf.
WHW Etappe 2 – Von Balmaha nach Inverarnan
Länge: 36,5 km
Höhenmeter Aufstieg: 610 m
Höhenmeter Abstieg: 610 m
Dauer: 8:20 h
GPX
Von Balhmaha nach Rowardennan
Nach einem erholsamen Schlaf in einem wunderbar gemütlichen Bett, wache ich voller Elan auf. Im Frühstücksraum komme ich mit einigen anderen Wanderinnen, die über uns in einem Mehrbettzimmer übernachtet haben, aus unterschiedlichen Teilen der Welt ins Gespräch.
Dann beginnt eine der anstrengendsten, aber gleichzeitig schönsten Etappe des WHWs. Der Weg führt uns zunächst durch einen märchenhaften Wald, bevor wir fast durchgehend in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden am Ufer des Loch Lomonds auf und ab wandern.
In Rowardennan stoßen wir auf eine der am besten ausgestatteten und liebevoll hergerichtete honesty box – Bezahlung ist sogar per Paypal möglich.
Kurz darauf teilt sich der Weg: Die Originalroute führt abwechslungsreich über schmale Pfade und felsige Abschnitte direkt am Ufer entlang. Eine leichtere, kürzere Alternative verläuft etwas oberhalb. Ich entscheide mich für die herausforderndere Route, während meine Freundin die andere Variante wählt.






Ich bereue meine Entscheidung nicht – dieser Abschnitt ist zauberhaft! Der Weg führt durch dichte Vegetation, über Felsen und direkt am See entlang. Ohne das Wasser zur linken Seite könnte die Strecke auch in den Alpen liegen. Ich bin fast alleine unterwegs – nur ein einzelner Trailrunner kreuzt meinen Weg.
Gegen Ende nimmt die Landschaft fast märchenhafte Züge an: bluebells, an denen man sich einfach nicht sattsehen kann, moosbewachsene Bäume, hohes Gras. Nach 3-4 km treffe ich wieder auf die Alternativroute, die sich hier von einer breiten Forststraße in einem schmaleren Pfad verwandelt. Eine halbe Stunde später hole ich meine Freundin ein und wir setzen den Rest der Etappe zusammen fort.
In Inversnaid, dem Ende der offiziellen vierten Etappe, legen wir eine Pause am Hotel Inversnaid ein und gönnen uns einen Kaffee. Hier dürfen auch selbst mitgebrachte Speisen und Getränke verzehrt werden und an einem Wasserhahn kann die Trinkflasche aufgefüllt werden.
Von Inversnaid nach Inverarnan
Meine Freundin überlegt, die letzte Etappe mit dem Bus oder Taxi zu umgehen. Doch das Taxi müsste einen Riesenumweg fahren und kostet stolze 140 Pfund. Der Bus würde eine Rückfahrt oder ein Fährüberfahrt ans andere Ufer des Loch Lomond erfordern, wo sie dann in den Zug steigen müsste. Mangels sinnvoller Alternativen entscheidet sie sich, mit mir weiterzugehen.
Leider gehört dieser Abschnitt zu den anstrengendsten des gesamten WHWs. Der Weg verläuft über Steinstufen, felsige Passagen und enge Pfade, immer entlang des Sees. Plötzlich entdecke ich eine Gruppe Böcke, die friedlich grasen. Mit respektvollem Abstand gehe ich ganz langsam an ihnen vorbei.
Ich lege eine kurze Pause an einem kleinen Strand ein. Doch der Weg fordert noch einige Anstrengung: Ein Hügel muss erklommen, mehrere Felder durchquert und verfallene Häuser passiert werden, bevor Inverarnan endlich in Sichtweite kommt. Dort angekommen bestelle ich mir in der Beinglas Farm ein kaltes Tennent`s, und warte auf das Eintreffen meine Freundin.




Unterkunft: Unsere heutige Bleibe ist das Drover´s Inn. Als bekennender Horrorfilmfan habe ich mich besonders auf diese Unterkunft gefreut, da hier in Zimmer 6 ein Geist wohnen und auch sonst eine Präsenz spürbar sein soll. Außerdem wurde hier in der Bar eine Szene des Films “Cloud Atlas” gedreht. Unser Zimmer befindet sich jedoch nicht im Haupthaus, sondern entpuppt sich als schönes Apartment in der Nebenanlage. In dem Inn selbst erwarten uns zwar jede Menge ausgestopfte Tiere sowie ein leckeres Abendessen, von einem Geist fehlt jedoch jede Spur.

WHW Etappe 3 – Von Inverarnan nach Bridge of Orchy
Länge: 31,1 km
Höhenmeter Aufstieg: 580 m
Höhenmeter Abstieg: 410 m
Dauer: 6 h
GPX
Nach einer ruhigen Nacht – ohne übersinnlichen Besuch – starten wir mit einem reichhaltigen Frühstück in den Tag. Neben den kostenlosen Cerealien kann à la carte bestellt werden. Wir entscheiden uns für ein typisch schottisches Frühstück in vegetarischer Variante: Haggis, Cone bread, Bohnen, Ei und Tomaten.
Heute möchte ich drei Etappen der Originalroute zusammenlegen. Meine Freundin ist sich noch nicht sicher, ob sie heute überhaupt wandern oder die Strecke mit dem Bus zurücklegen möchte, also gehe ich erstmal alleine los.
Von Inverarnan nach Crianlarich
Der Einstieg in die Etappe durch eine grüne hügelige Landschaft, vorbei an grasenden Schafen, dramatischen Wolkenformationen und Wasserfällen des Falloch River ist ein vielversprechender Auftakt, doch leider fast durchgängig begleitet von Autogeräuschen der nahegelegenen Straße. Nach zwei Unterführungen erreiche ich die “Old Military Road“, die sich entlang einer alten moosbewachsenen Mauer den Hügel hinaufschlängelt und schließlich in einem Wald mündet. Hier verpasse ich die Abzweigung nach Crianlarich, wo ich eigentlich meine Freundin treffen wollte. Da die Internetverbindung auf dem Trail nicht immer verfügbar ist, marschiere ich weiter. Als ich wieder Empfang habe, bin ich bereits viel zu weit entfernt, als dass sich eine Umkehr noch lohnen würde.






Von Crianlarich nach Tyndrum
Auf dieser Etappe passiere ich große Flächen abgeholzter Wälder, was mich zunächst etwas traurig stimmt – der Straßenlärm verstärkt den Eindruck menschlicher Eingriffe in die Natur. Erst im Nachhinein erfahre ich, dass die Forstwirtschaft hier ein bedeutender Wirtschaftszweig ist: Unzählige Fichten werden gezielt angebaut und hügelweise gefällt.
Nach der Überquerung einer alten steinernen Brücke und der Autobahn tauche ich wieder in die Natur ein. Das Tal ist geprägt von weitläufigen Schafweiden, die nahegelegene Farm bietet eine einfache Einkehrmöglichkeit. Dieser Abschnitt des WHWs ist zudem geschichtsträchtig. Immer wieder stoße ich auf Tafeln, die an historische Ereignisse oder alte Legenden erinnern. Am Holy Pool sollen Mönche einst mit dem Flusswasser geistige Krankheiten geheilt haben, und im Lochan of the Lost Sword vermutet man das Schwert von Robert the Bruce.
Ein beträchtlicher Teil des Weges verläuft entlang des Fillan Rivers im Tyndrum Community Forest, immer wieder überspannt von alten Brücken. Tyndrum selbst bietet eine gute Infrastruktur mit Busanbindung, Einkaufsmöglichkeiten sowie Cafés. Ich mache eine kurze Cafépause, bevor ich den letzten Abschnitt der heutigen Tour in Angriff nehme.



Von Tyndrum nach Bridge of Orchy
Die Durchquerung des Tals entlang der Bahnline, eingerahmt von den Bergen der Highlands, macht richtig Spaß. Der Weg ist angenehm zu gehen, die Landschaft wunderschön! Natürlich tummeln sich auch hier überall Schafe mit ihren Lämmern und vereinzelt entdecke ich ein paar highland cows. Immer wieder tauchen beeindruckenden Viadukte auf, und der gelb blühende Ginster leuchtet in der Sonne. Ich bin fast alleine unterwegs – erst kurz vor Bridge of Orchy wird der Weg belebter.
Bridge of Orchy ist ein kleiner Ort, der an der Old Military Road liegt und nach der Brücke über den Fluss Orchy benannt ist. Trotz seiner überschaubaren Größe ist er ein beliebter Ausgangspunkt für Wandernde, die die beiden Munros Beinn Dorain und Beinn an Dothaidh erklimmen möchten. Munros werden in Schottland die Berge bezeichnet, die höher als 3000 Fuß (914,4 Meter) sind.
Unterkunft: Da es hier kaum Übernachtungsmöglichkeiten gibt, haben wird uns für das 4 Sterne Hotel Brigde of Orchy entschieden, eine schöne Unterkunft mit exzellentem Essen im hauseigenen Restaurant.


WHW Etappe 4 – Von Bridge of Orchy nach Kinlochleven
Länge: 34,1 km
Höhenmeter Aufstieg: 830 m
Höhenmeter Abstieg: 980 m
Dauer: 6:30 h
GPX
Nach einem leckeren Frühstück mache ich mich alleine auf den Weg, während meine Freundin noch im Hotel bleibt und später dazustößt. Dank ihres gebuchten Gepäckservices kann auch ich etwas Ballast aus meinem Rucksack zurücklassen. Kaum habe ich die Brücke hinter mir gelassen, begegnet mir ein Reh – dieser Tag kann nur großartig werden!
Von Bridge of Orchy nach Inveroran
Diese erste Teilstrecke ist mit nur 3,8 km recht kurz und führt hinauf auf den Mam Carraigh. Obwohl es sich eher um einen Hügel als einen Berg handelt, bietet er einen fantastischen Rundblick: Auf der einen Seite liegt Bridge of Orchy, mystisch eingebettet vor den wolkenverhangenen Bergen, während sich auf der anderen Seite die Heidelandschaft und ausgedehnte Moore erstrecken. Der Abstieg führt hinab in das niedliche Inveroran, das lediglich aus einem Hotel und einem B&B besteht.



Von Inveroran nach Kingshouse
Die folgende Etappe gehört zu meinen persönlichen Highlights auf dem WHW: Einsam führt eine alte Steinstraße zwischen den Bergen des Black-Mount-Gebietes durch das Rannoch Moor.
Es gibt kaum Bäume, nur weitläufige Moorflächen und die wolkenverhangenen Hügel im Hintergrund. Ich mache unendlich viele Fotos, doch keines wird der einzigartigen Atmosphäre gerecht: Diese beruhigende Einsamkeit, lässt sich einfach nicht einfangen.
Tipp: Dieser Abschnitt ist den Wetterbedingungen schutzlos ausgeliefert – bei Wind und Regen bietet diese karge Landschaft keinerlei Schutz. Ein Blick auf den Wetterbericht vorab ist also ratsam!
Gegen Ende erwartet euch nochmal ein kleiner Anstieg, der jedoch mit einem grandiosen Panorama belohnt wird. Anschließend geht es hinab Richtung Zivilisation: Ich passiere das markante Blackrock Cottage, überquere die Straße und erreiche das Kingshouse Hotel, das schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts existiert. Bei einem Café warte ich auf meine Freundin, die mit dem Bus anreist.



Von Kingshouse nach Kinlochleven – über die Devil´s Staircase
Dies eine der schönsten Etappen des WHWs – nicht nur wegen der Landschaft, sondern auch, weil ich sie zusammen mit meiner Freundin gehe!
Wir durchqueren das Tal, eingebettet zwischen in Wolken gehüllten Bergen und biegen dann rechts auf die berühmte Devil´s Staircase ab, die uns aufwärts führt. Kurz vor dem Aufstieg legen wir eine Naschpause mit dem typisch schottischen Shortbread ein.
Obwohl ich schon zwei Alpenüberquerungen sowie einige Fernwanderungen im Gebirge hinter mir habe, bringt mich dieser Aufstieg ordentlich ins Schwitzen! Ich wundere mich, wie viele Menschen hier ihr Fahrrad nach oben tragen (Lösung: Sie fahren auf der anderen Seite wieder runter).
Oben angekommen werden wir mit einem beeindruckender Rundblick belohnt. Der Weg schlängelt sich den Hang herab, und hinter jeder Kurve eröffnet sich eine neue hübsche Szenerie. Irgendwann erspähen wir in der Ferne Kinlochleven, doch der Weg dorthin zieht sich länger als erwartet. Laufen wir zunächst noch auf Saumpfaden, entwickelt sich der Weg später zu einer breiten Forststraße, die auf den letzten Metern von Rohren des Wasserwerkes begleitet wird.


Ankunft in Kinlochleven
Unterkunft: Gleich am Ortseingang befindet sich das Blackwater Hostel, in dem wir die Schlüssel für unsere Bleibe abholen. Es dauert einen Moment, die West Highland Lodge zu finden, was jedoch eher an unserem Erschöpfungsgrad liegt. Die Lodge liegt idyllisch am Hang, etwas oberhalb des Ortes. Wir teilen uns ein Viererzimmer zu zweit und ein tadellos sauberes Gemeinschaftsbad mit den restlichen BewohnerInnen der Lodge. Unser Gepäck ist bereits vor uns eingetroffen.
Nach einer ausgiebigen Dusche schleichen wir in den Ort. In der urigen “Bothy Bar” ergattern wir spontan noch einen Tisch für zwei. Ich bestelle Fish&Chips mit Salat und Bohnen, die hervorragend schmecken, meine Freundin vegetarischen Burger. Als Belohnung gönne ich mir einen Oban Whiskey. In dem Coop nebenan besorgen wir uns noch ein Eis als Nachspeise, das wir in der Sonne genießen, und auch ein wenig Proviant für den morgigen Tag.
Erste Begegnung mit den midges
Als ich später noch vor der Unterkunft in der Abendsonne sitze, komme ich erstmals in Kontakt mit den sogenannten midges, den kleinen nervigen Insekten, die in Schottland endemisch sind. Diese Biester sind nicht nur lästig, sondern beißen auch! Viele Wandernde tragen einen Netzschutz über dem Kopf, um die Quälgeister abzuwehren. Auf der schottischen Vorhersageseite, dem midge forecast, kann man sich vorab über das Aufkommen dieser Plagegeister informieren.
Leider schlafen wir diese Nacht nicht so gut – allerdings nicht wegen der Unterkunft, sondern wegen der Rücksichtslosigkeit anderer Gäste.
WHW Etappe 5 – Von Kinlochleven nach Fort William
Länge: 25,4 km
Höhenmeter Aufstieg: 550 m
Höhenmeter Abstieg: 560 m
Dauer: 5:15 h
GPX
Sehr früh und ziemlich gerädert stehen wir auf – zum Glück wird unser Gepäck heute wieder transportiert, sodass wir nur mit Tagesrucksack wandern.
Die Müdigkeit verfliegt schnell – denn die heutige Etappe ist wunderschön.
Zunächst steigen wir durch einen idyllischen Wald auf und wandern dann auf einem überwiegend flachen Kiesweg durch ein sonniges, leicht hügeliges Tal, das von hohen Bergen eingerahmt wird. Nach etwa 10 km macht der Weg eine Kurve und die Landschaft wird waldreicher. Als wir eine Pause auf einer romantischen Lichtung einlegen, machen uns die midges einen Strich durch die Rechnung. Notgedrungen verschlingen wir unsere Brote im Stehen und setzen unseren Weg zügig fort.
Es wird etwas anstrengender: Der Weg führt immer wieder auf und ab, die Sonne brennt. Schließlich erblicken wir den Ben Nevis, der höchsten Berg Schottlands. Der WHW führt allerdings nicht über den Gipfel, sondern auf einer breiten Forstrasse bergab, daran vorbei.
Ankunft in Fort Williams
Am Ortseingang von Fort William passieren wir das alte Trail-Ende, durchqueren die Innenstadt und erreichen schließlich die Bronzestatue eines sitzenden Mannes, der den neuen Endpunkt des WHW markiert. Wir haben es geschafft! Nach 154 km durch eine der beeindruckendsten Landschaften Schottlands sind wir am Ziel – ein tolles Gefühl!
Tipp: Sehr zu empfehlen ist das Essen (und die Getränke) in dem Pub The Crofter. Ich genieße einen schönen Lagavulin Whisky, eine schmackhafte schottische Fischsuppe und vegetarisches Haggis, während wir in eine spannende Konversation mit zwei älteren Herrschaften aus Edinburgh verwickelt werden.
Unterkunft: Übernachtet haben wir im Stronlossit Inn. Bei der Buchung hatten wir übersehen, dass dieses Hotel etwas außerhalb liegt, was jedoch kein Problem darstellt, da man in etwa 20 Minuten mit dem Bus dorthin gelangt. Die Unterkunft selbst ist einfach, sauber und freundlich geführt.


Fazit: Lohnt sich der West Highland Way?
Ich habe diesen Weg sehr genossen! Er ist einfach, aber trotzdem sehr abwechslungsreich und besitzt stellenweise eine fast mystischer Schönheit. Die Strecke ist gut markiert, mit vergleichsweise vielen Unterkünften und Versorgungsmöglichkeiten entlang des Weges. Die Etappen lassen sich je nach persönlichen Vorlieben oder Fitnessgrad flexibel einteilen, sodass ihn auch Anfänger bestens bewältigen können. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, sollte man sich im Voraus über mögliche Abbruchmöglichkeiten informieren – die Busverbindungen sind eher spärlich.
Allgemeine Infos zum West Highland Way
Anreise: Der Ausgangspunkt des WHW ist Milngavie, ein Vorort von Glasgow. Ich besuchte zuvor noch andere Städte in Schottland und reiste mit dem Zug an. Alternativ kann die Anreise auch mit dem Flugzeug nach Glasgow erfolgen.
Reisezeit: Die besten Monate für den WHW sind April/Mai und September. In den Sommermonaten von Juni bis August sind die berüchtigten midges besonders aktiv.
Literatur: Zur Planung und Orientierung nutze ich den Rother Wanderführer West Highland Way, den ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann.
Essen & Trinken:
- Haggis: Das schottische Nationalgericht besteht aus Schafsmagen, gefüllt mit Innereien, Zwiebeln und Hafermehl. Traditionell wird es mit Rüben und Kartoffelpüree serviert. Ich probierte lediglich die vegetarische Variante, daher kann ich keinerlei Auskunft über die traditionelle Version geben.
- Shortbread: Ein köstlicher, buttriger Keks, den man unbedingt probieren sollte.
- Fish&Chips: Mit Erbsen serviert – ein Klassiker!
- Whisky & Gin: Schottland ist bekannt für seinen Whisky bzw. Scotch. In Fort William gibt es zudem hervorragenden Gin.
Haggis: Das mysteriöse Fabeltier, das in den schottischen Highlands leben soll, teilt sich den Namen mit dem schottischen Nationalgericht. Es hat auf der linken Seite kürzere Beine als auf der rechten, was es ihm ermöglicht, gut an einem Hang zu stehen, aber sich nur im Kreis fortzubewegen.
Gepäckservice: Wer sein Gepäck nicht die gesamte Strecke tragen möchte, kann einen Transport-Service buchen, beispielsweise hier. Morgens wird das Gepäck in der Unterkunft abgeholt und zur nächsten Destination gebracht.
Midges: Lästige kleine Mücken, die beißen (nicht stechen) und besonders unangenehm sind. Viele Wandernde tragen einen Gesichtsschutz, ähnlich dem eines Imkers. Es gibt eine Webseite, die das midges-Vorkommen vorausgesagt wird. Die Hochsaison für die kleinen Biester ist Juni bis August.
Internet/Telefon: Auf weiten Teilen des WHW gibt es kein zuverlässiges WLAN oder Mobilfunknetz. Trotz Brexit gelten weiterhin die normalen EU-Roaming-Gebühren.
Munros: Berge in Schottland, die höher als 3000 Fuß (914,4 Meter) sind. Einige WHW-Abschnitte ermöglichen Abstecher auf Munros, z.B. Beinn Dorain und Beinn an Dothaidh.
Unterkünfte:
- Entlang des Weges gibt es Hotels, Hostels, B&Bs und Campingplätze verschiedener Preisklassen.
- Frühzeitiges Buchen ist ratsam, da manche Ortschaften nur wenige Unterkunftsmöglichkeiten haben.
Wildcamping: Wildcampen ist in Schottland erlaubt, sofern der Scottisch Outdoor Access Code befolgt wird:
- Nicht länger als 2-3 Nächte am selben Ort.
- Nicht auf Feldern, eingezäunten Weiden oder in der Nähe von Gebäuden – wenn, Erlaubnis des Eigentümers einholen.
- Keinen Müll hinterlassen!